Zunächst mal: Schön, dass du da bist! Vielleicht hast du deine Frage auf Instagram eingesendet, vielleicht hast du den Blog via Google gefunden, wie auch immer: ich habe im August 2017 mit dem Rennrad-Fahren begonnen. Seit dem habe ich einiges auf dem Rennrad ausprobiert und trainiere grade für meine erste Ultra-Distanz. So kamen mir in den letzten 3 Jahren schon einige Produkte unter den Hintern. Aber: nur weil mir diese Sachen gut passen oder sie für mich gut funktionieren, bedeutet das nicht, dass sie auch für dich das Optimum sind. Wenn du diesen Artikel liest, behalte also immer im Hinterkopf, dass wir alle unterschiedlich sind und jemand, der behauptet, das „beste Produkt“ gefunden zu haben höchst unseriös ist.

Der Grund, warum ich diesen Artikel schreibe, ist, dass ich immer wieder die gleichen Fragen im Netz lese oder geschickt bekomme. Und dass in vielen Gruppen und Foren ein eher rauer Ton herrscht, der grade zu Beginn, wo man ja eigentlich die meiste Hilfe benötigt, besonders abschreckend wirkt. Ich denke, dies ist wohl der größte Unterschied zu anderen Sportarten: von einer gewissen Gruppe Menschen werden Rad-Anfänger erst mal sehr schlecht behandelt. Das finde ich schade und möchte hier gern ein Statement dagegen setzen. Deswegen werde ich versuchen, eine betont „einfache“ Beschreibung für manche Dinge zu finden, sodass sie auch jene von euch verstehen können, die noch nicht so lange auf der Straße unterwegs sind. Falls dennoch etwas verwirrend sein sollte, dann fragt einfach in den Kommentaren oder via Mail.

Hier geht’s zu Teil I der Rennrad-Fibel für Anfänger: Tipps für den Kauf des 1. Rennrads

Heute beschäftigen wir uns mit ein paar generellen Fragen, die sich fast jede Rennradfahrerin im Zuge des Entdeckens des neuen Hobbies stellt. Los geht es mit einer Never Ending Story für manche von uns:

Bib-Shorts und Chamois

Die allermeisten Fragen kamen definitiv zum Thema Rennrad-Sattel und Bibs. Das überrascht mich wenig, denn viele Menschen erzählen ungern, wo es im Schritt- und Po-Bereich zwickt und schmerzt. Der Sattel ist aber einer der drei Berührungspunkte mit dem Rennrad (Hände, Füße und Po) und um schmerzlos und mit Freude Rennrad fahren zu können, ist der „Richtige“ essentiell. Aber auch ein an und für sich für dich passender Sattel kann unter umständen nicht funktionieren.

Hier sind ein paar meiner Errors in den letzten Jahren:

  • Sattel-Höhe und Neigung. Ums Probieren mit der Position kommt man bei jedem einzelnen Sattel nicht rum! Denn Sättel sind durch die Streben nicht nur unterschiedlich hoch, sondern natürlich auch verschieden geformt. Zunächst bringe ich den Sattel mal waagerecht an, für mich ist bei den meisten Sätteln aber eine leicht nach unten geneigte Spitze angenehmer. Mit dem Multi-Tool kann man auch unterwegs die Position immer wieder etwas anpassen. Aber Achtung auf den Dreh-Moment bei der Sattelstütze, wenn sie aus Carbon ist!
  • Bereits bestehende Reizungen und Verletzungen. Wenn man noch schmerzhafte Stellen, Pusteln, Quetschungen und Co vom Vorgänger-Sattel (oder Bib) hat, sollte man diese zunächst abheilen lassen, bevor man einen Sattel für gut oder schlecht befindet.
  • Die falsche Bib. Nicht jedes Polster passt zu jedem Sattel. Auch da muss jeder für sich selbst durch.
  • Ein besonders weicher Sattel bedeutet nicht immer weniger Druck auf die Sitz-Höcker. Dadurch, dass man recht tief darin einsinkt, kann es wiederum zu sehr großflächigen Scheuer-Stellen kommen.

Warum Bib und Sattel ein Thema sind? Die beiden können ein unschlagbares Team oder große Streithähne sein.

Sättel testen

Als allererstes sollte man einmal eine Sitzknochen-Abstands-Messung durchführen. Nur weil man zB etwas breitere Hüften hat, bedeutet das nicht unbedingt, dass man einen breiten Sattel benötigt. Das geht zum Beispiel so. Wer bereits länger auf der Suche ist und bereits mehrere Modelle ausprobiert hat, für den ist eine Satteldruck-Messung vielleicht die bessere Investition als noch einmal X Sättel zu kaufen.

Einige lokale Händler haben einzelne Sättel zum Testen parat. Das ist eine super Möglichkeit, um verschiedene Sättel auszuprobieren. Da man aber etwas Zeit braucht, um einen Sattel gut beurteilen zu können, sollte man sich auf 1-2 Wochen Leihgabe einigen. Wichtig: wenn ihr einen Sattel bei einem lokalen Händler testet, ist es ein absolutes No-Go, den danach im Netz zu bestellen. Das macht man einfach nicht.

In diversen Rennrad-Gruppen auf Facebook und auch bei Mitgliedern von lokalen Rennrad-Vereinen liegen häufig noch diverse Sättel rum, die getestet wurden, aber nicht gepasst haben. Eine Art Tauschbörse macht dafür absolut Sinn!

Dann gäbe es noch die Möglichkeit, Sättel online zu bestellen und die Streben gut mit Isolierband abzukleben, bevor man den Sattel auf die Sattelstütze schraubt. So kann man ihn ausreichend testen und zurück schicken, wenn er nicht passt. 🤫

Bibs testen

Nicht selten kosten gute Bibs ähnlich viel wie ein neuer Sattel, auch hier macht es absolut Sinn, sich wenig benützte Bibs von Freunden auszuleihen oder gebrauchte zu kaufen, um das Polster auszuprobieren.

Mein erstes Learning bei Bibs war: eine qualitative Bib ist unumgänglich, denn ansonsten hat sich spätestens nach 2 Stunden das Polster mit Schweiß vollgesogen. Man sitzt dann in seinem eigenen Sud und es ist nicht weiter verwunderlich, dass es dann zu Hautreizungen und Scheuerstellen kommt. Bedeutet: auch wenn das Polster grundsätzlich passen würde, schmerzt es nach mehr als 50 Kilometer, da das Material nicht atmet oder trocknet.

Im Gegensatz zu Sätteln gibt es Bib Shorts natürlich in Sommer- und Winter-Ausführung. Wenn man kann, sollte man unbedingt antizyklisch kaufen! Winter-Bibs also vom Vorjahr im Frühlings-Sale holen, kurze Bibs im Herbst. So lassen sich schnell mal 50% auf den Listenpreis sparen.

Unterhosen unter Bibs?

Wenn du seit Jahren mit Unterhosen unter den Bibs fährst und überhaupt keine Probleme hast, dann why not. Du gehörst dann wohl zu einer winzig kleinen Randgruppe. Für alle anderen: NEIN! Niemals! Der Stoff legt sich leicht in Falten, drückt und scheuert, saugt sich voll, löst Schmerzen aus. Dein Sport-Gewand muss sowieso nach jeder Ausfahrt direkt gewaschen werden. Es ist also nicht unhygienisch oder eklig. Als Waschmittel verwenden mein Freund und ich das Assos Waschmittel. Unsere Sportbekleidung kostet mehrere Hundert Euro, deswegen wollen wir auch lange etwas davon haben. Das Waschmittel beseitigt auch bei niedrigen Temperaturen etwaige Keime, Rückstände von Cremes und Gerüche restlos.

Mit oder ohne Träger?

Ich sage: immer mit. Sitzt einfach besser. Da ich keine besonders großen Brüste habe, trage ich am liebsten Bib Shorts, die einfach auf beiden Seiten Träger haben. Manche Frauen bevorzugen aber jene mit einem einzelnen Träger vorne, der in der Mitte zwischen Brüsten und über den Bauchnabel verläuft. Ich finde es gut, dass es inzwischen auch viel Auswahl für Frauen gibt.

Aber was ist mit der Naturpause? Ich persönlich muss nicht besonders oft unterwegs auf Toilette. Bei den paar Malen, wo ich muss, streife ich schnell das Trikot und die Träger ab. Da ich sowieso immer einen Baselayer trage, bin ich dann auch nicht halb nackt. Wenn du sehr häufig musst, lohnt sich durchaus ein Blick auf Bibs mit einer Öffnungsmöglichkeit. Meiner Erfahrung nach sind die meisten davon aber beinahe unpraktischer, als einfach das Trikot auszuziehen! Die beste Lösung für mich sind jene Bibs, die einen Reisverschluss verbaut haben, um den Po-Teil runter zu klappen. Das geht tatsächlich recht flott und unkompliziert. Allerdings öffnet sich der Reisverschluss manchmal beim Fahren, was nervig ist. Jene Lösungen, bei denen man die Träger wieder durchs Trikot fädeln muss, eignen sich in erster Linie für Schlangenmenschen oder Yogis.

Meine persönlichen Favoriten

Wie ihr schon diverse Male rausgelesen habt, gibt es bei Sättel und Bibs keine „Das passt jedem!“-Empfehlung. Die kann ich euch auch nicht geben. Ich bin auch noch auf der Suche nach der optimalen Kombi für Langstrecken. Dies sind meine Favoriten derzeit:

Chamois (Polster in Bib Shorts)

  1. SAKo7 Damen-Bibs (zur Verfügung gestellt)
  2. Assos Lalaiiii (Wer lässt sich diese Namen einfallen?!)
  3. Isadore Climbers Bib (zur Verfügung gestellt)

Sattel

  1. Prologo Dimension (War am Orbea verbaut)
  2. Spezialized Power Arc
  3. Fizik Vento Argo (zur Verfügung gestellt)

Das Damen-Sattel-Thema

Natürlich kann ich immer nur aus meiner eigenen Perspektive berichten. Mir persönlich passen Sättel ohne Aussparung und mit langer „Nase“ gar nicht. Das ist aber nicht bei allen Frauen so. Ich denke nicht, dass man als Frau unbedingt einen Frauensattel oder als Mann unbedingt einen Männersattel braucht. Ich denke, man braucht einen passenden Sattel für den eigenen Hintern, welches Label da nun drauf ist, ist relativ egal.

Lektüre-Empfehlung für Damen:
Innie oder Outie?
Saddle Sores
Strategie vom britischen Nationalteam

Wirklich spannender Artikel von einem anderen Blog zur weiblichen Anatomie und zur Sattelsuche