Titelbild by Daniel Willinger

Stell dir vor, du gehst in den Supermarkt und kaufst deine eine Wurschtsemmel. Der Kunde neben dir bekommt diese, du selbst erhältst leider nur ein letschates Butterbrot, das am Rande schon gammelt.

Ungefähr so ist es, wen man mit dem Fahrrad unterwegs ist. Oder auch zu Fuß. Denn in Österreich mangelt es nach wie vor an sicherer und intuitiver Infrastruktur für beide Gruppen – und das selbst bei neu gebauten oder renovierten Straßen.

Radfahrer zahlen keine Steuern

Wirklich? Leiwand! Weil dann wäre ich schon lange reich. Fakt ist: die Straßen, die Wege, die Nischen auf denen wir zu Fuß, mit dem Rad oder dem Auto unterwegs sind, zahlen wir alle. Ansonsten würden wir ja auch nur für die staatlichen Schulen bezahlen, wenn wir selbst dort hin gehen; die öffentlichen Krankenhäuser bezahlen, wenn wir selbst darauf angewiesen sind; die Feuerweht bezahlen, wenn unser Haus brennt;… Du kannst dir sicher vorstellen, wie diese Liste weiter geht. Ich kann mir gut vorstellen, dass das einigen gar nicht so unrecht wäre, aber das ist das Gegenteil von dem, wie der österreichische Staat „organisiert“ ist.

Was viele Autofahrer übersehen, wenn sie einen solchen Stuss absondern, ist erstens: sehr viele Radfahrer sind auch Autofahrer. Sie zahlen also genau so Mineralöl- und KFZ-Steuer. Und jene, die nicht Auto fahren, zahlen genau so Steuern – gleichzeitig sparen sie dem Staat aber massiv Geld bei Dingen wie der Gesundheitsvorsorge. (Wenn man sie nicht regelmäßig anfahren würde, übrigens noch deutlich mehr. 😉)

Mehr dazu:
Bericht bei der Presse
Studie: Gesamtwirtschaftlicher Vergleich von Pkw- und Radverkehr
Das Thema unter der Lupe


Radfahrer halten sich alle nicht an Regeln

Hallo, hier schreibt jemand, der wohl mehr Zeit am Rad verbringt als viele andere im Auto. Und ich halte mich an die StVO. Ich kann natürlich nichts dafür, falls sich jemand anderes nicht daran hält, aber mich deswegen zu gefährden grenzt an Selbstjustiz. Das wäre ja beinahe so, als würde ich nun mutwillig Autos zerkratzen, nur weil sie über die Hälfte der Autofahrer nicht an bestehende Regeln wie Geschwindigkeitsbegrenzungen, Überholabstand oder Vorrangregeln.

Das ist für viele aber bereits so teil des Alltags geworden, dass dies als Kavaliersdelikt abgetan wird – auf Kosten jener, die durch Kraftverkehr jedes Jahr getötet und verletzt werden. Ich weiß, es ist einfach, sich über einen Radfahrer aufzuregen, der an eine Stop-Schild nicht hält, aber man muss auch ehrlich sagen, dass derjenige in erster Linie sich selbst gefährdet. Ganz anders bei all jenen, die dies in einem tonnenschweren Gefährt tun.

Mehr dazu:
Bericht über Studie, ob sich motorisierte Personen oder Radfahrer weniger an Verkehrsregeln halten

Bild: Martin Granadia / 169k.net

Radwege sind eh überall!

Auch von Politikern immer wieder fälschlicherweise verwendet ist das angeblich so gut ausgebaute Radwegnetz in Wien. Wenn man mal selbst darauf unterwegs ist, fällt vor allem eins auf: die Radwege, die existieren, enden nach kurzem im Nichts. Oder sind in Wirklichkeit keine Radwege, sondern aufgepinselte Streifen direkt in der Dooring-Zone von parkenden Autos, auf denen man dann auch noch ohne Notwendigen Sicherheitsabstand überholt wird. Man stelle sich das mal für den motorisierten Verkehr vor: überall Straßen und Autobahnen, die ohne Beschilderung einfach im Nichts enden.

Jene Infrastruktur, die existiert, ist häufig maßlos überfüllt. Schon mal am Wochenende am Donaukanal oder auf der Donauinsel gewesen? Hier drängt man Spaziergänger, (spielende) Familien mit Kindern, Freizeitradler, Sportler, Scooter-Fahrer, Skateboarder, Inline-Skater, Graffitti-Sprayer, Gastgärten, und und und auf 2 Meter zusammen, während parallel mindestens 3 Spuren für den Kraftverkehr existieren. Dass das nicht lange gut geht, liegt auf der Hand, und wird dann aus Haftungsgründen „Fairness-Zone“ genannt. Ergebnis: alle sind unglücklich, und das kann man ihnen nicht mal vorhalten!

Scheinbar sind auch die allermeisten politischen Entscheidungsträger in Verkehrs-Dingen ausschließlich motorisiert unterwegs, anders kann man sich so manchen Wortmüll kaum erklären. Dass jene Personen keine Entscheidungen für die Allgemeinheit treffen können, ist offensichtlich.

Bild: Martin Granadia / 169k.net

Radfahrer machen Stau

Liebe Autofahrer, DU bist der Stau. Du und viele andere. Eine fair Platzverteilung würde die Straßen massiv entlasten und vor allem: würde den Berufsalltag für Rettungskräfte, Lieferverkehr usw. deutlich einfacher machen. Denn eine faire Verteilung der Infrastruktur motiviert Menschen, umzusteigen. Klar: wenn man auf seinem täglichen Weg zur Arbeit mindestens 2 Nahtod-Situationen erleben muss, dann wird man sich kaum aus der Sicherheit im eigenen Auto raus bewegen. Im Hinblick darauf, dass in Österreich 60% aller Autofahrten kürzer als 10 km sind, ist hier massives Potential vorhanden.

Seit der Etablierung des Autos für Privatpersonen wurde dieses nicht mehr genützt, sondern beim Bau von Infrastruktur in erster Linie auf sie geachtet. Autofahrer sind also in einer sehr priveligierten Situation, die sie aber gleichzeitig häufig nicht anerkennen. Derzeit sind zwei Drittel des Straßenraumes in Wien für den motorisierten Verkehr vorgesehen, obwohl nur ein Drittel der Bevölkerung ein Auto besitzt. Das führt dazu, dass grade für Familien mit Kindern oder ältere Personen das Auto als einzig sichere Möglichkeit von A nach B wahrgenommen wird, muss aber nicht so sein.

Privilegien, also eine Sonderstellung, aufzugeben, bedeutet nicht nur, sich deren bewusst zu sein, sondern auf etwas zu verzichten, was man bislang gewohnt war. Die Sache ist nur: aus wirtschaftlichen, klima- oder gesundheitspolitischen Sichtweisen gesehen gibt es einfach kein schlüssiges und logisches Argument mehr für diese Bevorzugung. Wir brauchen ein zukunftsfähiges Mobilitätskonzept für ALLE. Für Menschen im Alter von 3 bis 103 Jahren.

Deswegen ist es jetzt an der Zeit, für eine entsprechende Gerechtigkeit einzutreten. Unterzeichne die Petition Platz für Wien.

Dieser Aufruf geht vor allem an all jene raus, die bereits Menschen durch motorisierten Verkehr verloren haben, die dadurch verletzt wurden; und an all meine Freunde und Bekannten, die nicht wollen, dass meiner Familie eines Tages eine solche Botschaft über mich gebracht wird. Es ist an der Zeit, jetzt zu handeln!

Ich bin gerne bereit, über Teilbereiche des Artikels zu diskutieren, allerdings nur, wenn man sich den Inhalt der hinterlegten Links inhaltserfassend durchgelesen hat.