Über 4 Dinge soll man nicht sprechen: Politik, Religion, Krankheiten und Radcomputer-Marken. Denn meist bricht eine hitzige Diskussion aus. Luke Skywalker gegen Darth Vader. Harry Potter gegen Voldemort. Garmin gegen Wahoo? Das wird kein Artikel, der die beiden Top-Computer der Marken miteinander vergleicht, denn die Entscheidung, welcher Rad-Computer der ideale Begleiter für meine Race Around Austria Challenge ist, fiel mir leicht.

Warum das so war und was ich sonst noch aus dem Ausflug ins Garmin-Universum mitnehmen kann, könnt ihr hier nachlesen.

Kurz zu mir, für den unwahrscheinlichen Fall, dass du nach gefühlt einer Millionen Postings noch nicht weißt, wie mein Fahrer-Profil so aussieht:

  • Ich fahre seit 3 Jahren recht ambitioniert Rennrad und Gravel/CX
  • Ich trainiere etwa 8 Monate im Jahr nach Plan anhand von Watt-Zahlen
  • Ich fahre Wettkämpfe von Marathon über Crit und TTs bis hin zu meinem ersten Ultra-Rennen dieses Jahr
  • Mein Rad-Computer ist auch mein ständiger Begleiter im Urlaub, ich navigiere damit und muss mich auf das Routing verlassen können.

Garmin Edge 1030 Plus

Und nun kurz zu dir, die/der diesen Artikel öffnet und sich fragt, was ein Fahrrad-Computer um beinahe 600 Euro denn so viel besser als alles bislang Dagewesene kann. Denn seien wir uns ehrlich: Produkt-Datenblätter können wir alle lesen, wenn wir verschiedene Optionen in einem Kauf-Prozess vergleichen! Aber der Garmin Edge 1030 Plus hat für mich 3 große Features, die ihn in dieser Kombination unabdingbar machen.

Die Akku-Leistung

Angegeben ist diese mit 24 Stunden. Das bedeutet in einer normalen Trainingswoche, dass man den Computer etwa einmal in der Woche laden muss und in einem Rennen, wie ich es grade vollbracht habe, einen massiven Unterschied: eine sorgenfreie, saubere und aerodynamische Lösung. Wie ich in meinem RAA-Bericht bereits geschrieben habe, hatte der Akku nach 27,5 Stunden noch immer einen Akku-Stand von 20%. 27,5 Stunden durchgehend mit allen Sensoren (Powermeter, Lampen, Herzfrequenz und Geschwindigkeits-Sensor). 27,5 Stunden mit Navigation. 27,5 Stunden bergauf und bergab mit Auto-Pause, durchgehender (automatisch) gesteuerter Beleuchtung und permanentem Wechsel der angezeigten Seiten. Denn zwischen meinen Leistungs-Werten und anderen Daten (auf 2 Seiten aufgeteilt), dem ClimbPro-Programm und der Navigation bin ich natürlich permanent hin und her geswitcht. Teilweise, weil ich andere Infos brauchte, teilweise, weil mir langweilig war.

Die Leistung meines Radcomputers bei dieser Tortur ist nicht weniger beeindruckend als meine eigene. Ich denke, ich muss gar nicht deutlich mehr sagen, warum dieser Punkt der erste ist, denn er ist derzeit am Markt einfach unschlagbar. Und lässt sich mit einem zusätzlichen Akku, den man nicht am Rahmen festkleben sondern einfach unter dem Radcomputer in die Halterung dreht noch einmal deutlich vergrößern. Mit einem winzig kleinen Wermutstopfen, aber dazu gleich!

Die Konnektivität

Das Garmin-Universum ist groß! Und das ist gut. Seit 2 Jahren fahre ich nun mit Garmin Varia Front-Licht (2 Mal selbst gekauft aus Überzeugung). Bislang habe ich die Lampe über die Buttons geregelt, was häufig dazu führte, dass sie schneller als notwendig leer war. Denn: die Garmin-Frontlampe kommuniziert permanent mit dem Garmin-Radcomputer und passt entsprechend der Geschwindigkeit die Leuchtkraft an. Das äußert sich bei einstelligen km/h bergauf so, dass die Lampe auf niedriger Stufe den Weg ausleuchtet, beim Abfahren fühlt man sich hingegen wie mit einem Auto-Scheinwerfer. Und das ist existentiell, wenn man mit der Geschwindigkeit eines Autos ohne dem selben Schutz oder Airbag unterwegs ist!

By Daniel Willinger

Apropos zwischen den Seiten switchen: wer eine Di2 fährt, der kann, wenn er das Bluetooth-Modul in seiner Schaltung eingebaut hat, ganz unkompliziert mit den Knöpfen in den Hoods zwischen den einzelnen Seiten hin und her switchen. Seine Lampe darüber steuern. Und und und..

Wieder zurück, wie viel Kommunikation möglich ist: in Kombi mit den Garmin Vector 3 bekommt man eine dermaßen detaillierte Auswertung über seinen Tritt, dass man erst einmal baff ist. Einerseits hilft das noch einmal, die Cleats so auszurichten, dass man das Maximum rausholen kann. Andrerseits sieht man auch, wenn ein Bein wirklich nicht mehr mitspielt (ich hatte beim RAA zuletzt 30% der Leistung links und 70% rechts, also mir hat mein Knie wirklich weh getan). Und man kann früh genug intervenieren und einen Bike-Fitter oder Physio-Therapeuten aufsuchen.

Last but not least: Konnektivität ist nur so viel wert, wie man Schlüsse daraus ziehen kann. Wenn du grade erst mit dem Rennrad-Fahren begonnen hast, dann wirst du mit all diesen Informationen nicht viel anfangen können. Mach dir keine Sorgen! Das würde jedem zu Beginn so gehen. Aber wenn du dabei bist, deinen Körper und dein Equipment zu perfektionieren und die Höchstleistung rauszukitzeln, dann bist du hier einfach gold richtig. Unterstützung dabei bekommst du in der Garmin Conntect App.

Das Feedback

Wie oben schon angemerkt: ich habe dieses Jahr nach Plan trainiert. Das bedeutet, dass man als Athlet das Hirn ausschalten kann oder sogar muss. Parallel dazu nütze ich Strava Premium, um meine Leistung über die Jahre hinweg zu vergleichen. Jetzt, nach dem großen Rennen, habe ich jedoch keinen Trainer mehr und bin „auf mich allein gestellt“. Unter Anführungszeichen, weil: der Garmin gibt einem wirklich ein sehr genaues und detailliertes Feedback über seinen derzeitigen Leistungszustand. Zum Vergleich: mein VO2Max wurde 1 Woche vor dem Rennen mittels einer Spiroergometrie ermittelt. Mit 52 ml/min/kg ist er etwas zurück gegangen, aber ich habe ja auch hauptsächlich den Grundlagenbereich trainiert. Garmin spuckt mir meinen VO2Max mit 49 aus, was eigentlich schockierend genau ist. Hut ab! Auch meine Schwellenleistung und mein FTP stimmen nach den beiden Kriterien, die auf Ausbelastung gefahren wurden, beinahe genau mit den Daten aus dem Labor überein. So viel zur Qualität vom Algorithmus, der diese Daten ohne Blut- oder Sauerstoff-Werte berechnen muss.

Dazu aber noch etwas sehr Angenehmes, für all jene, die sich selbst trainieren: Garmin übersetzt das alles auch gleich in eine verständliche Sprache! Sowohl der Form-Auf- oder Abbau, als auch die Wirkung von einzelnen Trainings bekommt man direkt danach als User auf dem Silbertablett serviert. Außerdem gibt es jeden Tag Trainingsempfehlungen – und absurde Zahlen, was den Erholungszeitraum betrifft. Aber so hat man zumindest eine plausible Ausrede für einen Ruhetag mit seinen Freunden.

Diese Funktionen werde ich nun auch weiter nützen, um mich auf 2021 vorzubereiten.

Was heißt das nun?

Der zweite und dritte Punkt sind natürlich nicht nur für den Edge 1030 Plus relevant, sondern gelten für alle Garmin Edge Devices. Aber in Kombi mit der bislang absolut einzigartigen Akku-Leistung sind sie schon ein sehr starkes Argument! Ich denke, langfristig ist dieser Radcomputer das, wo alle anderen Hersteller mal hin wollen. Man kauft also gefühlt ein Stückchen Zukunft. Wer allerdings „nur“ seine Werte bei normalen Fahrten aufzeichnen möchte und hin und wieder eine Route nachfahren will, für den ist der Garmin Edge 1030 Plus „mit Kanonen auf Spatzen schießen“. Die neugierigen Blicke der Kollegen und die Kinnladen, die nach unten fallen, wenn man von der Akku-Leistung berichtet, sind mit diesem Computer allerdings inkludiert.

Man kauft ein Stückchen Zukunft.

Der Garmin Edge 1030 Plus im resümee

Was hat mir Bauchweh gemacht?

  • Die Navigation. Ich muss ehrlich sagen, ich brauche das detaillierte Farb-Display nicht. Mir ist es egal, ob ich durch bebautes Gebiet, Felder oder Wald fahre. Als Fahrer bekomme ich für meinen Geschmack beinahe ein bisschen zu viel Informationen! Ja, das ist jammern auf hohem Niveau. Und ich habe mich in den letzten Jahren an die Navigation von Wahoo gewöhnt. Aber doch, wenn ich sagen müsste, was mich nicht zu 100% überzeugt hat, dann ist das eben dieser Punkt.
  • Nach 26h im Rennen, als der Garmin mit der Route also schon wirklich lang über seine Prophezeite Akku-Leistung hinaus lief und es von oben in Strömen schüttete, habe ich ein paar Mal das Display gesperrt. Denn ich wollte nicht riskieren, dass die Navigations-Seite in einem ungünstigen Moment wechselt. Aus dem Nichts heraus hat sich der Garmin dann hin und wieder einfach abgeschaltet, direkt im Anschluss automatisch wieder hochgefahren und musste dann erst einmal eine Zeit lang die 560km lange Route neu laden. Das ging alles von Gange, ohne dass ich irgendetwas beigetragen hätte, aber bis der Garmin eben eine solche Monster-Route geladen hat, dauert das. Da dies aber erst passiert ist, lange nachdem der Akku eigentlich den Geist hätte aufgeben müssen, finde ich es auch nicht weiter dramatisch.

Was ich nicht beurteilen kann

Im Gegensatz zum Edge 1030 bietet der Garmin Edge 1030 Plus eine bessere Karte für Gravel- und Mountainbike-Fahrten auf kleinen Trails. Hier sollen mehr Wege eingezeichnet sein und detailliertere Informationen darüber abrufbar sein. Das klingt ja erst mal toll, aber nachdem ich auch den Edge 1030 im Haushalt habe, habe ich die Karten der beiden Computer auf unserer Haus-Gravel-Runde verglichen und konnte keinen Unterschied erkennen. Man muss aber auch dazu sagen, dass ich meisten im Nationalpark Lobau unterwegs bin, dessen Routen, Wanderwege und Trampelpfade seit Jahrzehnten sehr genau dokumentiert sind.

Transparency: Der Rad-Computer wurde mir kostenfrei zur Verfügung gestellt – wie auch der Rad-Computer vom anderen Hersteller zuvor. In die Beurteilung ist dies dementsprechend nicht eingeflossen.