Allroad-Bikes sind derzeit in aller Munde, aber nüchtern betrachtet kein „aktueller Trend“. Denn viele von uns Radfahrer:innen haben schon lange ihre Räder an die eigenen Bedürfnisse angepasst. Nicht immer war für diese Bedürfnisse eben das Rad von der Stange das passende. Bestes Beispiel dafür sind etwa Crosser, die im Winter einfach mit Straßenreifen als Winter-Rennrad verwendet wurden, damit das Material vom „feinen Sommer-Rad“ nicht durch Dreck, Salz und Feuchtigkeit angegriffen wird. Da ich etwas über einem Drittel meines Jahres-Umfangs im Winter fahre, habe ich nie so recht eingesehen, warum man bei Comfort oder Übersetzung für sein Rad fürs Grobe Abstriche machen soll. Räder sind schließlich dafür da, gefahren zu werden! So auch mein neuestes Rad: das Ridley Grifn.

Fotos by Daniel Willinger

Ich habe mich beim Ridley Grifn für eine Custom-Farbvariante entschieden, die ich im Konfigurator von Ridley selbst zusammen gestellt habe – dafür kommen 100 Euro auf den Kaufpreis drauf, was ich wegen der großen Farb- und Design-Auswahl mehr als fair finde. Hier kann man in weiterer Folge auch seine Schaltgruppe, Lenkerbreite und Co wählen – aber dazu später mehr. Die Rahmen-Farben, die ich gewählt habe, heißen Bourgogne Red Metallic & Beige für die Logos. Ich fahre einen S-Rahmen & 100mm Vorbau mit einer Körpergröße von 178cm und einer Innenbeinlänge von 88,5cm.

Das Bike

Der Rahmen punktet mit seinem klassischen Look und schreit nach langen Abenteuern! Die Geometrie ist deutlich entspannter, als zum Beispiel auf meinem Race-Gravelbike Kanzo Fast. Dem Ruf nach langen Abenteuern wird aber nicht nur durch die Geometrie genüge getan, auch zahlreiche Befestigungsmöglichkeiten für Mud Guards und Flaschenhalter bietet der Rahmen. Sehr praktisch finde ich auch die unter einer Abdeckung am Oberrohr angebrachten Gewinde für eine Oberrohr-Tasche. Durch Taschen, die hier mit Klettverschlüssen angebracht werden habe ich mich in der Vergangenheit oft genervt gefühlt, weil ich hin und wieder mit meinen Knien daran geschrubbt habe. Mein übrigens Bikepacking-Setup besteht aus einer Arschrakete sowie einer Lenkertasche & Snack-Bag, weitere Gewinde für die feste Montage von Taschen gehen mir daher überhaupt nicht ab.

Besondere Aufmerksamkeit sollte man wirklich auf die georderte Gruppe für sein Allroad-Bike legen. Denn während der Rahmen & die Reifenfreiheit wirklich mit verschiedensten Untergründen zurecht kommen, ist die gewählte Schaltgruppe der limitierende Faktor. Genutzt werden kann das Ridley Grifn mit 1-Fach, wie auch 2-Fach-Gruppen. Grade als Anfänger im Radsport würde ich hier ein ausgiebiges Gespräch mit dem Bike-Shop des Vertrauens empfehlen, denn häufig kann man die Vor- und Nachteile verschiedener Schaltgruppen- und Abstufungen noch gar nicht so wirklich abschätzen. Für mein Straßen-Grifn wurde es eine Di2 Ultegra mit einer Semikompakt-Kurbel sowie einer 11-34 Kassette. Aus meinen bisherigen Jahren auf dem Rennrad weiß ich, dass ich damit wirklich jeden Berg raufkomme. Für ausgedehnte Bikepackings mit viel Gepäck werden ich mir aber noch kleinere Kettenblätter montieren, um eine 1:1-Übersetzung im leichtesten Gang zu erreichen.

Durch die Wahl meiner Gruppe habe ich aus dem Allroad-Bike ein eher klassisches Endurance-Rennrad gemacht – was für meinen Einsatz-Zweck optimal ist. Wer allerdings auch häufig auf Schotter fahren möchte oder ausgedehnte Routen durch steiles Gelände fahren will, dem würde ich eher zu einer GRX-Gruppe raten, um auch „untersetzen“ zu können. Falls du dich mit all diesen Begriffen überfordert fühlst, ist das überhaupt nicht schlimm – aber ein Zeichen, dich von deinem Ridley-Händler hinsichtlich der Auswahl der Gruppe beraten zu lassen. Vor 3-4 Jahren ging es mir noch genau so, und wenn man nach und nach immer tiefer ins Rennradfahren eintaucht, lernt man die einzelnen Begriffe auch nach und nach.

Die Reifenfreiheit liegt bei 38mm, ohne dass das Rad an der Gabel oder den Sitzstreben unproportional aussieht. Das war mein Bauchweh bei vielen anderen Allroad-Bikes, die ich bisher gesehen habe. Mit einer Einfach-Gruppe lassen sich mit dem Grifn auch Reifenbreiten von bis zu 40mm fahren. Für technische Mountainbike-Trails ist das noch zu wenig, aber für alles andere, von Schotterautobahnen bis hin zu gut ausgegangenen Waldwegen ist das meiner Meinung nach die optimale Bereifung.

Auf mein Ridley Grifn kamen dann noch meine eigenen Bikebeat Tiefflieger Laufräder, Conti GP5000 in 28mm und mein Tagfahrlicht-Setup von Garmin. Hier kommen wir auch zu meinem kleinen „Pain Point“: während die zum Lenker passende Halterung für den Radcomputer mit dem Rahmen mitgeliefert wird, bedarf die GoPro-Aufnahme darunter (mit der ich meine Lampe anbringe) einer extra Bestellung. Diese würde ich beim Bestellen des Ridley Grifn direkt mit-ordern, denn das kleine Teil kann nur vom Fachhändler bezogen werden – und sonst muss man dort noch einmal hinfahren, um dies abzuholen. Dank 4 Gewinde auf der Unterseite der Halterung können jedoch auch GoPro-Aufnahmen anderer Hersteller angeschraubt werden.

Einen großen Vorteil in einem Gebiet, in dem ich bisher noch keine Erfahrungen gesammelt habe, stellen jedoch die Öffnungen in Gabel & Rahmen dar, mit denen man einfach und sauber ein Lampen-Setup mit Dynamo fahren kann. Definitiv eins der Themen, mit denen ich mich in den kommenden Jahren beschäftigen werde, denn dann fällt das lästige Laden und Tauschen von Akku-Lichtern endgültig weg!

Das Fahrgefühl

Bevor die langen Rad-Abenteuer ins Haus stehen, gilt es für mich noch den Winter in Wien zu überdauern. Dafür mache ich derzeit eher kürzere Ausfahrten, auf denen die Details im Fahrgefühl des Ridley Grifn jedoch schon großen Appetit auf mehr machen. Es läuft sehr ruhig und lenkt auch nicht zu hektisch, wobei es dennoch wendig bleibt.

Für die Beurteilung von Fahreigenschaften mit solchen Fachbegriffen gibt es einfach bessere Experten. Daher werde ich mich eher jene Dinge konzentrieren, die mir persönlich auffallen. Ich bin einfach keine besonders behende Abfahrerin und Kämpfe bergab oft mit meinen Ängsten. Damit ich mental auf den Abfahrten gut drauf bin und auch mal „laufen lasse“, bedarf es für mich ein paar Grundvoraussetzungen am Rad: es muss ruhig laufen (also sich nicht nervös auf der Straße anfühlen), mir muss das Rad optimal passen und ich brauche gute Bremsen. In allen 3 Belangen liefert das Grifn voll ab und die bisherigen Abfahrten waren für mich total entspannt! Bergauf fühlt sich das Rad wie ein reinrassiges Rennrad an. Zwar ist es (mit meinem Aero-Felgen-Faible) nicht das leichteste Kletter-Bike am Markt, es bietet aber den nötigen Komfort für laaaange Anstiege. Im Flachen merkt man, das Ridley auch beim Grifn nicht an aerodynamischen Feinheiten gespart hat und das Rad braucht sich auch auf langen Graden nicht zu verstecken.

Preislich beginnt das Ridley Grifn bei knapp unter 3.200 Euro und mein Setup komm auf 8,7 kg mit Aero-Felgen.

Alle Fotos in diesem Artikel kommen von Daniel Willinger. Danke dir, Daniel!